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Episode 123: Filmemacher Gerald Backhaus: „Es gibt eine Thüringer Sprachinsel in Brasilien“

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Erfurt. Filmemacher Gerald Backhaus betrachtet in seinen Werken Dialekte und Mundarten. In Thüringen werden dabei neun Großräume unterschieden. Warum es sogar in Südamerika Thüringer Dialekt gibt, erklärt die Doku „Bei den Kaffeepflückern in Brasilien“: Sie beleuchtet die Folgen von Vertreibung im 19. Jahrhundert aus Thüringen. Im Podcast mit TA-Chefredakteur Jan Hollitzer sprach er über…


…Brasilien: Dort gibt es eine Thüringer Sprachinsel. Im 19. Jahrhundert wurde im Ausland offensiv um Arbeitskräfte geworben. Die Sklaverei war in der Endphase, auf Kaffeeplantagen wartete Arbeit. Und ein Auswanderungsagent stellte den Kontakt nach Thüringen her.


…Böhlen: Das Dorf liegt südöstlich von Ilmenau. Er war eine Hochburg der Textilindustrie. Doch viele Leineweber hatten ihre Arbeit verloren, dagegen protestiert. Die Dorfoberen hatten sich daraufhin an die fürstliche Regierung in Rudolstadt gewandt, Militär wurde nach Böhlen geschickt.


...Vertreibung: 154 Böhlener, ein erheblicher Anteil der Bevölkerung des Dorfes, wurden zum Hafen nach Hamburg gebracht und traten dann die beschwerliche Reise nach Brasilien an. Die Überlebenden arbeiteten etwa 5,6 Jahre auf den Plantagen, bevor sie im Süden, im heutigen Santa Catarina, Land zugesprochen bekamen. Andere Siedler – vor allem aus dem Hunsrück – waren vor ihnen dort und prägten den Begriff, dass die Neuankömmlinge „kaffeepflückerisch“ reden würden. Dialekt aus dem Thüringer Wald, aus Böhlen. Der Begriff hat sich bis heute gehalten.


...Heimatforscher: Hans-Günther Schneider und Dieter Lange haben in über 20-jähriger Recherche herausgefunden, wo die Vertriebenen in Brasilien leben. 2019 haben wir – ein Kameramann und ich – sie erstmals in Brasilien begleitet.


...Scham: Sie dürfte der Hauptgrund gewesen sein, warum die Vertriebenen aus Thüringen nie von ihrer Herkunft erzählt haben. Sie galten ja wegen angeblichen Diebstahls, den sie aus finanzieller Not begingen, als Kriminelle. Jetzt in der 5., 6. Generation erst wurde ihnen von den Heimatforschern die Kunde ihrer Wurzeln, der einstigen Heimat überbracht. Die Älteren der Nachkommen von Böhlen sprechen heute noch Thüringer Dialekt.


...Film: Der emotionale Höhepunkt einer Vorführung passierte im Mai, als wir mit einer lokalen Delegation im Dorf in Brasilien waren und nach einem Gottesdienst den Film sahen. Die Liedtexte wurden vom Chor viersprachig – hochdeutsch, portugiesisch, kaffeepflückerisch und hunsrückisch – gesungen.

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…Brasilien: Dort gibt es eine Thüringer Sprachinsel. Im 19. Jahrhundert wurde im Ausland offensiv um Arbeitskräfte geworben. Die Sklaverei war in der Endphase, auf Kaffeeplantagen wartete Arbeit. Und ein Auswanderungsagent stellte den Kontakt nach Thüringen her.


…Böhlen: Das Dorf liegt südöstlich von Ilmenau. Er war eine Hochburg der Textilindustrie. Doch viele Leineweber hatten ihre Arbeit verloren, dagegen protestiert. Die Dorfoberen hatten sich daraufhin an die fürstliche Regierung in Rudolstadt gewandt, Militär wurde nach Böhlen geschickt.


...Vertreibung: 154 Böhlener, ein erheblicher Anteil der Bevölkerung des Dorfes, wurden zum Hafen nach Hamburg gebracht und traten dann die beschwerliche Reise nach Brasilien an. Die Überlebenden arbeiteten etwa 5,6 Jahre auf den Plantagen, bevor sie im Süden, im heutigen Santa Catarina, Land zugesprochen bekamen. Andere Siedler – vor allem aus dem Hunsrück – waren vor ihnen dort und prägten den Begriff, dass die Neuankömmlinge „kaffeepflückerisch“ reden würden. Dialekt aus dem Thüringer Wald, aus Böhlen. Der Begriff hat sich bis heute gehalten.


...Heimatforscher: Hans-Günther Schneider und Dieter Lange haben in über 20-jähriger Recherche herausgefunden, wo die Vertriebenen in Brasilien leben. 2019 haben wir – ein Kameramann und ich – sie erstmals in Brasilien begleitet.


...Scham: Sie dürfte der Hauptgrund gewesen sein, warum die Vertriebenen aus Thüringen nie von ihrer Herkunft erzählt haben. Sie galten ja wegen angeblichen Diebstahls, den sie aus finanzieller Not begingen, als Kriminelle. Jetzt in der 5., 6. Generation erst wurde ihnen von den Heimatforschern die Kunde ihrer Wurzeln, der einstigen Heimat überbracht. Die Älteren der Nachkommen von Böhlen sprechen heute noch Thüringer Dialekt.


...Film: Der emotionale Höhepunkt einer Vorführung passierte im Mai, als wir mit einer lokalen Delegation im Dorf in Brasilien waren und nach einem Gottesdienst den Film sahen. Die Liedtexte wurden vom Chor viersprachig – hochdeutsch, portugiesisch, kaffeepflückerisch und hunsrückisch – gesungen.

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