ERF Plus - Wort zum Tag Wir und die anderen
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Es gibt uns, und es gibt die anderen. Wir stehen auf der richtigen Seite. Wir haben die richtigen Antworten. Die anderen nicht. Wir sind die Guten, die anderen die Bösen. Wir umgeben uns am liebsten nur mit unseresgleichen. Mit denen, die bestätigen, was wir denken, was wir glauben. Die anderen haben bei uns nichts verloren.
So ist das in unserer Gesellschaft. Alle leben in einer Blase.
So ist das oft genug auch bei uns Christen. Es gibt uns, und es gibt die anderen. Wir stehen auf der richtigen Seite. Wir haben die richtigen Antworten. Die anderen nicht. Wir sind die Guten, die anderen die Bösen. Na ja, hätte ein alter Freund gesagt, Einbildung ist auch ne Bildung.
Er hätte dem alten Propheten Jesaja aus der Seele gesprochen. Im Losungswort der Herrnhuter Brüdergemeine für heute fährt es ihm geradezu durch alle Glieder: Nein, ich bin nicht besser als die anderen. Wörtlich: „Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen.“ (Jesaja 6,5) Anders gesagt: Ich bin genauso schuldig wie alle anderen.
Aber du doch nicht, Jesaja! Du stehst doch auf der richtigen Seite! Die anderen werden ständig schuldig, du doch nicht! Aber Jesaja lässt sich nicht umstimmen.
Was ist passiert? Jesaja hat in den Himmel geschaut, in die Welt Gottes, er hatte eine Begegnung mit dem lebendigen Gott, mit seinem himmlischen Hofstaat. Und ihm ist schonungslos klar geworden: Hier passe ich nicht hin. Ich bin ein schuldbeladener Mensch, der keine Chance bei Gott hat. Ich habe unreine Lippen und ein unreines Herz und ein unreines Leben. Ich bin nicht besser als die anderen.
Ein Prophetenkollege sagt es später ähnlich. Elia. „Ich bin nicht besser als meine Väter.“ (1. Könige 19,4)
Wer Gott unmittelbar begegnet, kann nur so reagieren wie Jesaja: „Weh mir, ich vergehe!“
Aber wir dürfen Gott heute anders begegnen. Wir begegnen ihm in Jesus, seinem menschgewordenen Sohn. Dem Kind in der Krippe, dem Mann am Kreuz, dem Auferstandenen. Dem Schuldvertilger und Angstbesieger. Er nimmt uns in die Arme wie der Vater den verlorenen Sohn. Er vertritt uns gegenüber allen, die uns verklagen wollen, sogar gegen unser eigenes Gewissen, er schleppt uns durch in Gottes Himmel, er sorgt dafür, dass wir gerecht werden, also Gott und seinem Himmel gerecht werden.
Er tut das. Nicht wir. Ohne ihn wären wir verloren, müssten wir mit Jesaja schreien: „Weh mir, ich vergehe!“
Darum gibt es keinen Grund, sich über andere zu erheben. Wir sind schuldig wie unsere Nachbarn und Kollegen und all die durchgeknallten Kriegstreiber und Profitgeier, die die Erde in den Ruin treiben. Wir sind alle miteinander angewiesen auf Gottes Gnade und Barmherzigkeit, die uns in Jesus Christus begegnet.
Nicht erheben sollen wir uns, sondern mit den anderen, für die anderen und anstelle von ihnen beten: Herr, erbarme dich! Erbarme dich unser!
Der ceylonesische Theologe Daniel T. Niles hat es einmal in einem eindrucksvollen Bild so beschrieben:
„Evangelium verkündigen heißt Zeugnis ablegen. Das geschieht so, dass ein Bettler dem anderen erzählt, wo man etwas zu essen bekommen kann. Der Christ hat nichts anzubieten aus einem Vorrat, über den er verfügt. Er hat nichts angesammelt. Er ist nur Gast am Tisch seines Herrn, und als Botschafter des Evangeliums lädt er die anderen dazu ein.“ Daniel T. Niles
Er lädt die anderen ein. Und er tritt für sie ein. Nicht zuletzt im Gebet.
Autor: Jürgen Werth
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